Hans-Peter Scharlach

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Hans-Peter Scharlach


Ich schätze Kunst die humorvoll und gleichzeitig kritisch ist. Die Dinge werden transformiert, der Bildraum als Bühne benutzt, die Verzauberung findet vor aller Augen statt und und ähnlich wie bei einem Zauberer, verwandelt sich etwas obwohl wir sehen was gerade passiert. Die Banalität der Dinge des Alltages wird in den Bildern unterdrückt. In ihrer reduzierten Präsentation gleiten sie in eine Hyperrealität. Sie entkleidet die Dinge ihrer Selbstverständlichkeit und sie werden, wie in einem Tagtraum ihrer Stabilität entzogen. Die Verwandlung ist im Bild und im Betrachter.


Mein künstlerischer Blick auf die Gegenstände steht auch für ein bestimmtes Verhältnis zur Wirklichkeit und für ein spezielles Verständnis von künstlerischem Gestalten. Den Zumutungen der kapitalistischen Spätmoderne kann ich nur spielerisch etwas entgegensetzen. Jenseits einer verschleiernden Haltung, die immer auch eine Machtoption beansprucht, ist das Spiel mit den Versatzstücken ein mögliche Option für die kritische humorvolle Distanz zur Wirklichkeit. 


Ich ziele nicht auf das einzelne Bild, es sind analytisch-recherchierte Bildfolgen, die spielerisch die Kunst und Wirklichkeit kommentieren sollen. Für mich ist ein Künstler ein Produzent von Bildern, der nichts verheimlicht, nichts illusionistisch vorgaukeln möchte.  Alles auch nur ansatzweise Genialisches, Geniehaftes ist überflüssig, auch als Ironie, obsolet und gefährlich. Ein gute Kunst kann heute nur anti-genialisch sein, eine anderes Wort wäre vielleicht demokratisch. Die Bilder sollen ihre Wirkmechanismen offen zeigen.


Ich baue die Bildfolgen mit dem Ziel einer meist kalkulierten Vielfalt auf. Die Arrangements sind weder zufällig, noch verabsolutieren sie streng ein Prinzip. Jedes einzelne Bild steht für sich. Zwei oder mehr Bilder können sich aber gegenseitig ergänzen und als Einheit gesehen werden.


Ich lege die alltäglichen Gegenstände (Kinderspielzeug, Putzlappen, Bastelmaterial) auf monochrome Tonpapiere, Teppiche oder Geschenkpapiere. Der starke Kontrast zwischen Vordergrund und Hintergrund führt einerseits zu einer Verdeutlichung der Bildebenen.  Anderseits entsteht durch die Schärfentiefe eine Spannung zwischen den Bildebenen. Diese Überdeterminierung entlädt sich in einer Ambivalenz. Denn zwischen Betrachter und dem Bild wird mit keiner Erzählung oder einem Zeichen eine schnell lesbare Bedeutung herangeführt. Die räumlichen Ebenen sind geklärt, die Identifizierungsmöglichkeiten unklar.


Dies ist eine längere Versuchsreihe. Seit Jahren werden Dinge gesichtet, gekauft, archiviert und geordnet. Das Versuchsmaterial für die Hintergründe (monochrome Tonpapiere, Dekopapiere, Geschenkpapiere...) wird beständig erweitert.  Anordnungen werden erprobt, verworfen oder für gut befunden. Meine Arbeit ähnelt manchmal der eines Wissenschaftlers.

Bilder als Hypothese, die es zu prüfen gilt. 




Hans-Peter Scharlach

Chinesen im Sportlerheim

Die fünfte Internationale Medienkunst-Biennale in Tornitz/Werkleitz an der Saale

Sabine Vogel 05. August 2002 Berliner Zeitung


(...) "Das ist mein Land" knödelte eine Stimme auf Englisch zur Gitarre. Eine Kamera fährt dazu durch ein Zimmer, schnüffelt in zerwühlten Kissenbezügen in gelb-grünem Blumendekor, tastet den Teppichboden ab, klettert an Elektrokabeln die Wand zur Steckdose hoch, wandert über die Raufasertapete um einen Türsturz, kriecht die Schnürsenkel von einem Paar Stiefel vor einer Zentralheizung entlang, streift über die Rippen des Heizkörpers, findet eine Lampe und am Kabel entlang wieder zurück zur Steckdose. Diese dreiminütige Videoschleife von Hans-Peter Scharlach, ausgestellt im schäbig-aufgepoppten "Kraftraum des Jugendclubs", transformierte in ihrer unambitionierten Banalität das Thema "Heimat" zu einem Clip aus klaustrophobischer Oberflächlichkeit. "Dies Land" wird eingeschmolzen auf die Frage: Kann ich meine nächste Monatsmiete noch zahlen? Darf ich hier bleiben? In dieser Kleinheit wurde die existenzielle Frage wieder groß und die Kunst hat doch wieder einmal funktioniert.



Videos und Audio-CDs von Hans-Peter Scharlach

Olaf Karnik, Nyahbinghi Surround, Köln 2003


Nicht umsonst trägt eins der Videos von Hans-Peter Scharlach den Titel „Bravo" – wie das gleichnamige Magazin für jugendliche Popfans. Mit der Lektüre der „Bravo" begann für viele Generationen in der Pubertät die Aneignung popkultureller Codes, die Konstruktion wechselnder Wunsch-Identitäten und die Aufklärung emotionaler wie sexualtechnischer Probleme. Scharlachs „Bravo" löst die Heft-Lektüre in verschwommene, stark sexuell aufgeladene Bilder auf, wobei die Ästhetik der Malerei ins zeitbasierte Medium überführt wird. Als akustische Reflexion des sexuellen Begehrens erklingt dazu Led Zeppelins orgiastisches Stück „Since I’ve Been Loving You" – samt amateurhaftem Mitgesang vom Künstler selbst.So verfährt Scharlach auch auf seinen CDs „Hits", „Ultimate Music" und „Scarlet Highway".  Pophits von Robbie Williams, Nirvana oder Freundeskreis und Country-Stücke von Willie Nelson oder Johnny Cash werden hier von seiner Stimme begleitet, wobei der Modus der Imitation zwischen Mitsingen und Nachsummen wechselt. Dieser Singsang wäre die Stimme des Pop-Hörers selbst, desjenigen, der vor dem Spiegel stehend mitsingt – ihm wird bei Scharlachs Vertonung von Aneignungsprozessen eine Stimme gegeben. Auch die gewollt billig oder beiläufig klingende Musik in Scharlachs Videos taugt kaum zur Fetischisierung – und lenkt die Aufmerksamkeit auf Bilder, die en passant Wirklichkeiten erkunden oder malen. Wie ein kindgerechtes Musikvideo wirkt „Fulminating Shot" mit seinen  graphischen Mustern, monochromen Farbflächen und den abstrakten Motiven mit menschlichem Antlitz. Umgekehrt gelingt in den von Fotos abgefilmten Videos „Reiten" oder „Biarritz" die Er-fremdung des allzu Alltäglichen. Ob das Kamera-Auge hier endlos einen Schilderwald der Warenzeichen oder Mauern und Häuserfassaden abfährt – die Bilder wirken abweisend und unheimlich, wo sich Details von ihrem konkreten Kontext lösen und kein Mensch von den zivilisatorischen Zeichen Gebrauch macht. Umso mehr sprechen die Dinge. Manchmal gibt es – wie in „Bailando" – einfach nur eine Toreinfahrt zu sehen, die von der Kamera tänzelnd abgefahren wird. Je mehr sie sich im Kreise dreht, desto näher kommen Türgriff, Graffitis, übermalte Flächen. Wahrnehmung erweitert sich zur Suche nach Bedeutung, nach Verbindung von Spuren. Man muss die Dinge nur länger und mehrmals betrachten, vergrößern und verkleinern, um etwas zu entdecken. Es muss ja nicht gleich eine Leiche sein, wie in Michelangelo Antonioni's „Blow Up".


Die Gärten von Köln, die Straßen von Biarritz 

Hans-Peter Scharlach zeigt seine gewitzten Kunststücke in der artothek

Jürgen Kisters, KStA 17.9.2003


Hat das Mitsingen von Popsongs, der Gebrauch des digitalen Fotoshops und die Löcher in Pressspanplatten etwas mit Kunst zu tun? Natürlich, meint Hans-Peter Scharlach in der artothek. Computerprints, auf die Wand projizierte grafische Muster, Tonaufnahmen von des Künstlers Singkünsten und schlichte Videosequenzen von Gärten in Köln und Straßenblicke in Biarritz gehören zu den gewitzten Pacours.

Hans-Peter Scharlachs Kunstauffassung ist vor allem spielerisch. Manches erscheint spaßig und verbreitet zugleich Ratlosigkeit. Unkonventionell, schlicht und kreativ beschwingt, scheint der 1967 geborene Scharlach nichts Bestimmtes zu suchen - und, wie wie beiläufig Überraschendes zu finden. Wo der Betrachter seiner Ausstellung nicht genau wissen wohin der Weg sie eigentlich führt, während sie schon eine ganze Weile unterwegs und verwickelt sind, hat der Künstler zweifellos die richtigen Köder ausgelegt. So frisch und ungezwungen Scharlach seine Arbeit in der Artothek vorstellt, wünscht man sich im spätgotischen Bürgerhaus Am Hof 50 auch weiterhin Ausstellungen (...)

Hans-Peter Scharlach

I appreciate art that is humorous and critical at the same time. Things are transformed, the pictorial space is used as a stage, the enchantment takes place before everyone's eyes and, similar to a magician, something is transformed even though we can see what is happening. The banality of everyday things is suppressed in the pictures. In their reduced presentation, they slip into a hyper-reality. She strips things of their self-evidence and, as in a daydream, they are deprived of their stability. The transformation is in the picture and in the viewer.


My artistic view of the objects also stands for a certain relationship to reality and for a special understanding of artistic creation. I can only playfully counter the impositions of late capitalist modernity. Beyond a disguising attitude, which always also claims an option of power, playing with set pieces is a possible option for a critical, humorous distance to realit


I'm not aiming for the individual picture, they are analytically researched sequences of images that are intended to playfully comment on art and reality. For me, an artist is a producer of pictures who conceals nothing, who doesn't want to illusionise anything.  Anything even rudimentarily ingenious, genius-like is superfluous, even as irony, obsolete and dangerous. Good art today can only be anti-genius, another word would perhaps be democratic. The pictures should openly show their mechanisms of action.


I construct the picture sequences with the aim of achieving a mostly calculated variety. The arrangements are neither random nor do they strictly absolutise a principle. Each individual picture stands on its own. However, two or more pictures can complement each other and be seen as a unit.


I place everyday objects (children's toys, cleaning rags, craft materials) on monochrome coloured paper, carpets or wrapping paper. On the one hand, the strong contrast between foreground and background leads to a clarification of the picture planes.  On the other hand, the depth of field creates a tension between the picture planes. This overdetermination is discharged in an ambivalence. For no narrative or sign is introduced between the viewer and the picture with a quickly legible meaning. The spatial levels are clarified, the possibilities of identification unclear.

This is a longer series of experiments. Things have been sifted through, bought, archived and organised for years. The experimental material for the backgrounds (monochrome clay paper, decorative paper, wrapping paper...) is constantly being expanded.  Arrangements are tested, discarded or found to be good. My work sometimes resembles that of a scientist.

Images as hypotheses to be tested. 



Chinese in a sports club

The Fifth International Media Art Biennale in Tornitz/Werkleitz an der Saale

Sabine Vogel 05. August 2002 Berliner Zeitung


"This is my Land" dumbled a voice in English to the guitar. A camera drives through a room, sniffs in rumpled pillowcases in yellow-green floral decor, scans the carpet, climbs up the wall to the socket on electric cables, wanders over the woodchip wallpaper around a lintel, crawls the shoelaces of a pair of boots in front of a central heating system, touches the ribs of the radiator, finds a lamp and along the cable back to the socket. This three-minute video loop by Hans-Peter Scharlach, exhibited in the shabby-popped " Fitness Room of the Youth Club ", transformed in its unambitious banality the theme "homeland" into a clip of claustrophobic superficiality. "This country" is melted down to the question: Can I still pay my next monthly rent? Can I stay here? In this small size, the existential question became great again, and art once again worked


Videos and Audio CDs by Hans-Peter Scharlach

Olaf Karnik, Nyahbinghi Surround, Cologne 2003


Not for nothing does one of Hans-Peter Scharlach's videos bear the title "Bravo" - like the magazine of the same name for young pop fans. For many generations, reading "Bravo" during puberty marked the beginning of the appropriation of pop-cultural codes, the construction of changing wish identities and the clarification of emotional and sexual problems. Scarlet "Bravo" dissolves the booklet reading into blurred, strongly sexually charged images, whereby the aesthetics of painting are transferred into a time-based medium. As an acoustic reflection of sexual desire, Led Zeppelin's orgiastic piece "Since I've Been Loving You" - along with amateurish singing by the artist himself - sounds, as does Scharlach on his CDs "Hits", "Ultimate Music" and "Scarlet Highway".  Pophits by Robbie Williams, Nirvana or Freundeskreis and country songs by Willie Nelson or Johnny Cash are accompanied here by his voice, whereby the mode of imitation changes between singing along and humming. This singing song would be the voice of the pop listener himself, the one who sings along standing in front of the mirror - he is given a voice in Scharlach's setting of appropriation processes. The deliberately cheap or casual sounding music in Scharlach's videos is also hardly suitable for fetishization - and draws attention to images that explore or paint realities en passant. "Fulminating Shot", with its graphic patterns, monochrome colour surfaces and abstract motifs with a human face, looks like a child-friendly music video. Conversely, in the videos "Reiten" or "Biarritz", filmed from photographs, the alienation of the everyday succeeds. Whether the camera's eye endlessly follows a sign forest of trademarks or walls and house facades - the images seem rejecting and uncanny, where details detach themselves from their concrete context and no one makes use of the signs of civilization. Things speak all the more. Sometimes - as in "Bailando" - there is just a gate entrance to be seen, which is driven away by the camera dancing. The more it rotates in circles, the closer door handles, graffiti, painted surfaces come. Perception expands into the search for meaning, for the connection of traces. One only has to look at things longer and several times, enlarge and reduce them in order to discover something. It doesn't have to be a corpse, as in Michelangelo Antonioni's "Blow Up".





The Gardens of Cologne, the streets of Biarritz

Hans-Peter Scharlach shows his clever tricks in the Artothek

Kölner Stadtanzeiger 17.09.2003

by Kürgen Kisters


Do the singing along of pop songs, the use of the digital photo shop and holes in pressboard have anything to do with art? Of course, says Hans-Peter Scharlach in the artothek. Computer prints, graphic patterns projected on the wall, sound recordings by the artist's singing skills and simple video sequences from gardens in Cologne and street views in Biarritz are among the witty Pacours.

Hans-Peter Scharlach's conception of art is above all a playful one. Many things seem banal and familiar - yet somehow alien. Some things seem fun and spread helplessness. Unconventional, simply and creatively elated,  Scharlach, born in 1967, seems to be searching for nothing in particular and, as if incidentally, surprising. Where the viewer of his exhibition does not know exactly where the path leads them, while they have been on the road and involved for quite a while, the artist has undoubtedly designed the right bait. As fresh and informal as Scharlach presents his works in the artothek, one would like to continue exhibiting in the late Gothic town house Am Hof 50. (...)

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