Hans-Peter Scharlach

Geliehene Stimmen: Nummer 1



Der allgemeinen Dominanz digitaler Bilder verweigert sich Hans-Peter Scharlach

nicht. Und trotz seiner durchaus heterogenen Motivwahl hat er über die Jahre hinweg eine Bildsprache entwickelt, die ebenso viel mit den von ihm gewählten Sujets zu tun hat wie mit der Thematisierung des Bildes an sich.

Seine Arbeiten versammeln alltägliche Objekte, die in der fotografischen Wiedergabe teils hyperrealistisch, machmal verspielt distanziert, wenn nicht gar fremd erscheinen. Auch sein sorgfältiger  Blick auf arrangierte und/oder gefundene Artefakte ist sachlich und gleichzeitig humorvoll. Er entbindet die Dinge ihrer Referenz, die weniger in den Dingen selbst als in ihrer Zusammenstellung oder unserem Wissen über sie liegt. Alles was wir wahrnehmen sind  Zeichen, Bilder und Erzählungen. Sie verweigern sich, hier jedoch entschieden minimalistisch und spielerisch zugleich, großer Sinnhaftigkeit. Die Übersetzung von Gegenständen, von Räumen in den Flächenraum der Fotografie und das Arrangement von Teilstücken der Dingwelt versteht er als Ordnungsleistung, bei der gestalterisch inszeniert, nicht viel gezeigt wird und dann unverhofft und leise an anderer Stelle als vermutet,  gleichsam als Überschuss der Entleerung, so etwas Sinnvolles wie ein leises Schmunzeln hinzutritt.

Hans-Peter Scharlachs Bilder konzentrieren sich vor allem auf die Wiedergabe von Dingen

oder der Konstellation manchmal vertraut scheinender Dinge, die einem subtilen oder offensichtlichen Verfremdungseffekt ausgesetzt werden. Der Vorhang oder die Pfeifenreinger, zeigen sich in den gleichnamigen Fotografien als abstrakte zeichnerische Farbspuren. Die Serie „Plättchen“ mit ihren monochromen halbtransparenten Plättchen erinnert an die Farbtupfer eines Ernst Wilhelm Nays oder an die Verweigerung ihrer Referenzierung und thematisiert das Verhältnis von Objekt und Hintergrund,  das in ihrer flächigen Wirklichkeit intellektuell und lakonisch zugleich ist.

Nicht nur in Werken wie diesen sind Hans-Peter Scharlachs Bildwelten auf

faszinierende Weise paradox und mit einer Portion Humor geimpft: Die Motive sind absolut

lesbar, erzählen jedoch kaum etwas. Oft bleibt die Abkürzung des Sinns bewusst unklar.

Wir verfolgen Spuren, lesen Referenzen und  stolpern in Sackgassen, aber im Wechselspiel mit dem fotografischen Blick auf die Dinge, lässt er uns über die Wirklichkeit und die Möglichkeiten ihrer Repräsentation nachdenken.



Frei umformuliert nach:


Nikolaus Schafhausen über Annette Kelm, Museumsquartier Wien 2019




Geliehene Stimmen: Nummer 2



Ich erinnere mich daran, vor einigen Jahren – möglicherweise schon zu Beginn meines Kunststudiums – festgestellt zu haben, dass alles, was ich erschaffe, letztendlich ein Bild ist. Es war eine bewusste Entscheidung, eine Grenze zu ziehen, die sich durch mein Werk zieht. Keine Erzählungen, keine Texte, keine anderen Zeichen. Das Thema meiner Arbeit ist der Begriff des Bildes, da er auch im Zusammenhang mit sozialen Aspekten steht. Das war mir stets von großer Bedeutung. Der Begriff „Bild“ umfasst eine Vielzahl von Aspekten, wie Raum, Gegenstände, Zeit, Soziales und Politisches. Mein Ziel ist es, innerhalb meiner Möglichkeiten und meines Werkes ständig neue Wege zu gehen, um es weiterzuentwickeln.

Während ich Bilder im Zoo aufnahm, hatte ich immer diese Idee eine Art Werkzeugkasten zu haben für die Erzeugung von Bildern. Dies eröffnete eine ganz neue Welt für mich. Man folgt seinen selbst gesetzten Regeln. Zunächst konzentriere ich mich auf den Gegenstand oder Hintergrund und suche dann nach einem passenden Bezug. Anschließend definiere ich eine Anordnung. Diese hat zwar keine besondere Bedeutung, jedoch verschwindet sie im Spiel zwischen Figur und Grund und wird fast abstrakt. 

Die Anordnung ist kaum lesbar. Es entsteht eine Distanz zwischen dem Offensichtlichen, dem Gegenstand und seinem Hintergrund, die mühevoll überwunden werden muss. Du musst darum kämpfen. Das kann man nicht abstellen, ich auch nicht. Ich mag diese Distanz, diesen Kampf. Ich bin mit der Minimal Art, der ungegenständliche Malerei, aber auch mit Vermeer oder Baldessari etc. künstlerisch aufgewachsen. Ich bevorzuge keine Dramatik, nicht das große Ding. 

Ich möchte auch mit den Objekten zurücktreten. Mit den Dingen habe ich in meinem Werk viel gearbeitet. Ich versuche den Ursprung der bildlichen Erzählungen zu erforschen. Unser tägliches Leben ist die erste bildhafte Erfahrung, die wir haben. Wenn Sie sich dessen bewusst sind, kann es etwas mit Ihnen bewirken, vielleicht sogar Ihr Denken beeinflussen. Im Zentrum meines Interesses steht, die Sinnlosigkeit der Existenz zu erkennen und die Nichtigkeit der Dinge zu begreifen. Dabei ist es wichtig, behutsam von der Ambivalenz zum Eindeutigen zu schreiten. Diese Arbeit führt auf diesen Weg und ermutigt dazu, radikal zu sein und die Dinge zu verändern, damit sie nicht einfach ignoriert werden wie zuvor.



Frei umformuliert nach:


Video Statement Erwin Wurm Galerie Ropac , Paris 2023



Geliehene Stimmen: Nummer 3


„Unklare Gespräche“ hört man auf der Straße an jedem Ort der Welt. Hier klingen sie freundlicher. Ich bin nach Köln gekommen, weil ich die Kunst liebe und ich keinen besseren Ort für die Auseinandersetzung mit dieser wüsste. Deshalb grüße ich hier und heute mit einen Überblick der Arbeiten der letzten Monate. Fotografie ist gerade jetzt spannend, nicht etwa wegen meiner Leidenschaft, sondern weil die offenen Fragen der Fotografie/Kunst durch technische und politisch-gesellschaftliche Entwicklungen wieder an Dringlichkeit gewonnen haben. Das heißt aber nicht, dass die Weiterentwicklung der Fotografie ein leichtes Spiel wäre und dass es schnelle Antworten gäbe, die man aus dem Hut zaubern könnte. Die Geschichte dieses Mediums ist wie immer Stütze und Last zugleich. Die Aufgaben kommen aus allen Richtungen der Zeit.Vergangenheit, Zukunft und aus der Gegenwart. Ein große Menge Zeit also. Dies steht in einem überdimensionalen und groteskem Kontrast zum kurzen „Klick“ bei der Belichtung eines fotografischen Bildes. 

Die Fotografie ist kein Vergrößerungsglas für die Wirklichkeit. Man sieht die Dinge nicht klarer. Der digitale Bilderberg scheint eher das Gegenteil nahezulegen. Gegen die immer wieder mal übermächtig sich selbst zerlegende Welt, scheint das Einfangen von Licht in einem kleinen Kasten das oft ersehnte Licht der Orientierung  zu sein.

Fotografieren wäre dann die Basisarbeit des Navigierens. Jeder Klick vielleicht ein Wegpunkt. Und so angelt man sich von Punkt zu Punkt und genießt die Freude an der Bewegung.

Die Bilder in „Unklare Gespräche“ sind ein Plädoyer für die Fotografie als Kunst und ihre Möglichkeiten. Viele künstlerische Positionen wollten in den letzten Jahren der Welt als Werkzeug dienen. Die Funktionalisierung der Kunst reichte von der Bereitstellung von Lebensmitteln über die Stadtplanung bis hinzu gesellschaftspolitischen Theorien. Ich bin aber kein Koch, Stadtarchitekt oder Theoretiker. Meine Bilder müssen erstmal gar nichts. Und genau darin liegt hoffentlich ihre Potenzial. Die Bilder mögen die Welt einfangen und das eine oder andere bleibt im Netz hängen.


Frei umformuliert nach:


Hoi Köln Teil 1: Begrüßung des Raumes

Kölnischer Kunstverein 29. September bis 19. November 2023 

Pressetext Valérie Knoll

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